Autoren: Schalk, H.J., Lüschow, J., Untiedt, G.
1997

Hrsg.: ifo Institut für Wirtschaftsforschung: ifo-Schnelldienst 17-18 , S. 3-14

Die Frage, ob mit Wachstum Beschäftigung auf- und Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann, ist in der Bundesrepublik fast schon zu einem Dauerthema der beschäftigungspolitischen Diskussion geworden. Erstmals schien sich nach der Rezession 1982 dieser Konnex »entkoppelt« zu haben, als in der Anfangsphase des konjunkturellen Aufschwungs von 1983 bis 1987, trotz jährlicher Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts von durchschnittlich etwas mehr als 2%, die Beschäftigung kaum gestiegen ist und die Arbeitslosigkeit unverändert hoch blieb. Nach den jüngsten Erfahrungen mit der konjunkturellen Erholung seit dem Ende der Rezession 1993 scheint sich das Entkoppelungsproblem noch verschärft zu haben: Trotz durchschnittlicher jährlicher Wachstumsraten von knapp 2% ist bis zum Ende des Jahres 1996 die Zahl der Erwerbstätigen gesunken und die der Arbeitslosen weiter gestiegen. Heute wird aber nicht mehr wie in den achtziger Jahren bestritten, daß es noch einen Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung in der Bundesrepublik gibt. Aber er sei »sehr un- sicher geworden, jedenfalls in den wenig flexiblen europäischen Arbeitsmärkten«.

In dieser Arbeit soll ein neuerlicher Beitrag zur Klärung des Entkoppelungsstreits geleistet und in einer ökonometrischen Analyse untersucht werden, ob es empirische Belege dafür gibt, daß der Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung in den neunziger Jahren »unsicherer« geworden ist. Grundlage der Untersuchung ist das Okunsche Gesetz, welches den Zusammenhang zwischen Wachstum und Beschäftigung bzw. Arbeitslosigkeit beschreibt und wenigstens in den USA noch recht gut »funktioniert«. Die ökonometrische Analyse basiert auf einer dynamischen Version des Okunschen Gesetzes, das eine einfache Beziehung zwischen dem Outputwachstum und der Veränderung der Arbeitslosenquote unterstellt. Auf der Grundlage dieser Analyse wird insbesondere zwei Fragen nachgegangen, die gegenwärtig von besonderem wachstums- und arbeitsmarktpolitischem Interesse sind. Erstens: Kann das Problem Arbeitslosigkeit mit Wirtschaftswachstum überhaupt gelöst werden und, wenn dies der Fall ist, wieviel Wachstum wird benötigt, um die Arbeitslosigkeit zu senken? Okun's Law liefert - quasi als Nebenprodukt - einen Wert für die gesamtwirtschaftliche Produktion, der bei Normalaus- lastung der Kapazitäten realisierbar ist. Dies ermöglicht uns, zweitens, die Untersuchung der in der Bundesrepublik häufig vertretenen Ansicht, daß sich auch dann, wenn Wachstum und Arbeitslosigkeit nicht entkoppelt wurden, »mit einer Stimulierung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und mit einer höheren Auslastung der gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten ... das Arbeitsmarktproblem in Deutschland nicht Iösen« läßt. Schließlich wird zum Abschluß der Arbeit anhand einer Modellrechnung dargestellt, wie mit einer auf die Förderung von Investitionen in Sach- und Humankapital sowie der Innovationstätigkeit ausgerichteten Wachstumspolitik ein kontinuierlicher Abbau der Arbeitslosigkeit über mehrere Jahre hinweg erfolgen könnte.